Die alte Storchendame, Teil 2: 2001

Wie die Fotos von Ende Juli 2001 zeigen, hat die alte Störchin auch diesen Brutsommer gut überstanden.

Die zwei Jungen des Jahrgangs 2001 waren zu diesem Zeitpunkt in altersgerechter, dem späten Schlupftermin entsprechenden Zustand: kräftig beim Training für den ersten Flug. Die Störchin fütterte fast gleichzeitig mit ihrem Partner und kam nach annähernd gleicher Zeit von der Nahrungssuche wieder zum Nest zurück, war also gut in Form. Wildstörche können sich allmähliche Alterungsverläufe nicht leisten. Ein bisschen Fliegenkönnen beispielsweise, das geht nicht.

Dennoch ist es erstaunlich wie dieser Vogel mit 27 Jahren nach (vermutlich) mindestens 23 Jahren im Brutgeschäft immer noch von seinen Instinkten angetrieben wird.

Übrigens habe ich bei meinem letzten Stunden auf dem Prignitzer Kirchturm eine für mich seltsame Beobachtung gemacht. Der Partner der alten Störchin landete vor dem Füttern auf dem Dachfirst vor dem Giebel mit dem Nest. Augenblicke später ließ sich ein fremder Storch unmittelbar neben ihm, wie hier zu sehen, nicht mehr als zwei, drei Meter entfernt, auf dem First nieder. Der Storch duldete den anderen, nach der Größe im Vergleich zu urteilen, eine Störchin, ohne irgendwelche, in Nestnähe sonst üblichen Angriffe. Nach den erkennbaren drei Zahlen auf dem Ring könnte es sich am ein im Juni 1998 von Falk Schulz nestjung in Lanz, einem Prignitzdorf bei Lenzen, beringten Storch handeln. Das stille Nebeneinander dauerte etwa zehn Minuten, dann flog der Storch hoch zum Füttern. Erst danach, also vor dem eigenen Wegflug, verjagte er die/den Fremde(n).

So lange die Kraft zum Fliegen reicht, gehört intensive Gefiederpflege zum Storchenleben. Was hier bei der 27jährigen zu beweisen ist.

Über die Gründe dieses Verhaltens lässt sich nur Spekulieren. Die Duldung könnte auf eine unter Störchen ungewöhnlichen Vertrautheit schließen lassen. Zu erinnern ist, dass die Alte erst Ende April nach erfolgreich bestandenem Kampf und dem folgenden Abwurf fremder Eier in ihr angestammtes Nest gekommen war. Ist es vorstellbar, dass es sich bei der Störchin auf dem First um die vertriebene erste Partnerin des Storches handelte, mit der, dies ist unvermeidlich, Vertrautheit bestanden haben musste? Kann sich Erinnerung an einstige Nähe in einer solchen Situation wieder herstellen? Dass nach Füttern und vor Wegflug ein stärkerer Instinkt einsetze, der die Brut zu schützen, steht dazu nicht im Widerspruch. Vielleicht hat ein geschätzter Leser, er sei gegrüßt, ähnliche Beobachtungen gemacht?

Tschüss für dieses Jahr. Ich hoffe, ich sehe die Alte im nächsten April wieder. Bereit zur neuen Brutsaison.