Die alte Storchendame, Teil 6: Kein Abgesang?

Fotos aus dem Jahre 1998. Der bettelnde Jungstorch am Schwanz der Alten war der letzte im Gelege. Er kämpfte immer noch um einen Brocken Futter, wenn seine Geschwister schon längst ermattet auf dem Nestboden lagen.

Am 8. Mai die jüngste Nachricht vom Nest in Quitzöbel: unverändert leer. K 8102, seit 1991 Brutvogel auf dem Kirchgiebel, kam üblicherweise kurz nach Anfang April. Lothar Idel, der gleich neben der Kirche wohnt, erlebte mehrfach Versuche, das Nest in Besitz zu nehmen. Immer wieder blieb ein Storch über eine längere Zeit. Aber er wehrte jedes mal alle potentiellen Partner ab.

Wie sind solche Beobachtungen zu bewerten? Ich fühlte mich an ein Storchendrama mit lang anhaltenden Folgen in einem Ort im südlichen Brandenburg erinnert. Auf der gestutzten Eiche einer Gärtnerei in Groß Schacksdorf brütete über viele Jahre ein Paar, immer dieselben Störche, wie der Gärtner bereit war zu beschwören. Im Sommer eines Jahres kam einer der beiden in Dorfnähe um. Fortan wurde zu Beginn der Einflugzeit das Nest von dem Überlebenden besetzt, der bis in den Mai hinein seinen angestammten Nistplatz gegen alle Interessenten verteidigte. Danach trieb er sich bis zum Abflug ins Winterquartier im Dorf und in der Umgebung umher. Das Spiel wiederholte sich zum Ärger des Gärtners etwa sechs Jahre lang.

In der Storchenliteratur wird mehrfach beschrieben, dass erfahrene Brutstörche für ein Jahr oder für länger mit der Brut aussetzen. Die Alte, die im Jahr 2003 mit ihrem Partner noch einmal drei Junge hochgezogen hatte, könnte durchaus den Schnabel voll haben von der jährlichen Schinderei auf dem Kirchturm. Mit jetzt 30 Jahren, wenn sie der Storch sein sollte, der oben im Nest immer mal wieder auftaucht, hätte sie Ruhe verdient.

Aber schön wäre es doch, wenn sie ein Storchenmensch mit Spektiv in einem Trupp irgendwo erkennen würde. Wenn das nicht geschieht, dann bleibt ihr bis zum nächsten Methusalem oder der nächsten Alten die Ehre, einer von drei 29jährigen freifliegenden Wildstörchen Deutschlands zu sein, gerechnet seit Thienemanns Beringungen auf der Kurischen Nehrung vor inzwischen bald 100 Jahren. Älter als die Alte von Quitzöbel wurde in Deutschland noch kein Wildstorch.