Das Storchenjahr 2005

Beim Fotografieren, also genauem Beobachten verlieren auch Störche sehr schnell ihre Aura.

Von den hier gezeigten Vögeln beklaute einer immer wieder das benachbarte Nest, wenn der Nestbesitzer unterwegs war, holte Zweige und trockenes Heu in sein eigenes, ein anderer kopulierte mit einer fremden Störchin, flog zurück zur eigenen und klapperte mit ihr gemeinsam vor lauter Lebenslust. Und ein besonders merkwürdiges Storchenexemplar, ein Männchen, ließ sich peinlich lange von seiner Partnerin von Halsansatz bis Kopf bekraulen, ohne die geforderten Aktivitäten zu vollziehen. Im Gegenteil: Er reagierte mit deutlich gezeigtem Widerwillen, drehte Kopf und Körper weg. Natürlich bestieg er die Störchin nach langem Zieren dann doch, schließlich hatte er, bei aller privaten Unlust, sein arterhaltendes Werk zu vollbringen.

In den vier Wochen bis zum Schlupf sind Storchenpaare noch häufig gemeinsam im Horst, putzen sich (mehr oder weniger) synchron, bauen, klappern bei jedem Anlass. Eine kurze Ruhephase, denn wenn sich das Nest mit hungrigen Küken gefüllt hat, endet die schöne Zeit.

In die Siedlungsgebieten der Ostzieher, von den östlichen Bundesländern bis zu Polen, den Baltischen Staaten, der Ukraine und Russland kehrten in diesem Jahr zwischen zehn und vierzig Prozent weniger Weißstörche als sonst üblich zurück. Als Ursachen werden Nahrungsknappheit im Winterquartier vermutet, und dann trafen geschwächte Tiere auch noch unterwegs auf Schlechtwetterzonen ohne Aufwinde.

In den Statistiken wird 2005 als sogenanntes "Störungsjahr" registriert werden.

(Alle Fotos aus der jungen Storchenzeit 2005 zeigen freifliegende Störche. Keines der Bilder entstand in Zuchtstation oder Gehegen. Fotografiert wurde mit 400 mm Objektiv plus verdoppelndem Konverter.)